Ein historisches Literaturprojekt

Der Beginn des großen Krieges

Machtgier der Herrschenden und Selbstbestimmungswille, gepaart mit unversöhnlichem Verfechten von Glaubensfragen bestimmen in Europa das Handeln zum Ende des 16. und Beginn des 17. Jahrhunderts.

Wenn man meint, der Dreißigjährige Krieg würde sich erschöpfen in dem unglaublichen Fenstersturz in Prag 1618; Personen, wie Wallenstein und der schwedische König Gustav Adolf; dreißig Jahre Gräueltaten in Mitteleuropa und 1648 ein Friedenschluss in Westfalen – der sei gewarnt. Geschichte ist meist deutlich verworrener - und vor allem durch die Gier nach Macht angetrieben.

Der Prager Fenstersturz war nicht der erste in der Geschichte. Seine Wurzeln fand der große Konflikt an ganz anderer Stelle, nämlich im Ringen um die „richtige“ Konfession. Es war auch kein andauernder Konflikt, wie man ihn aus den Kriegen des 20. Jahrhunderts kennt. Einen Großteil der Zeit verbrachten die Söldnerheere mit Belagerungen von Städten oder der Ausplünderung der Landbevölkerung.

Hier also ein Abriss der mitteleuropäischen Geschichte, wo bei das Augenmerk auf den für unsere Geschichte relevanten Teil gelegt wird. Ausschweifungen lassen sich aber manchmal für das Gesamtverständnis gar nicht vermeiden.

In Böhmen gibt es Ende des 16. Jahrhunderts zwei religiöse Lager. Die Hussiten, die sich auf den tschechischen Theologen und Reformator Jan Hus berufen, der ähnlich wie Martin Luther später, den Ablasshandel, die Sittenlosigkeit der katholischen Kirche und die Unfehlbarkeit des Papstes anprangert. Und auf der anderen Seite die Katholiken.

Es gab immer wieder Konflikte zwischen beiden Parteien. Vornehmlich mussten die Hussiten unter der Verfolgung durch Katholiken leiden.

Maximilian II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, selbst sehr protestantenfreundlich, strebte zusammen mit seinem Schwager Albrecht V., dem Herzog von Bayern, eine Reformation der katholischen Kirche an, was schlussendlich aber vergeblich war. Maximilian galt zwar als tolerant, aber eine grundsätzlich wollte keine Freistellung des evangelischen Bekenntnisses, hätte es doch die Abspaltung der von der römischkatholischen Kirche bedeutet.

Um 1560 wurden die dauernden Kriege gegen den Türken immer kostspieliger. Schließlich musste er, um zusätzliche Steuerforderungen in seinen österreichischen Ländern durchzusetzen, mit den eigenwilligen Ständen, die stark lutherische geprägt, waren verhandeln. Er erteilte ihnen eine Religionskonzession, die keineswegs einer Art Glaubensfreiheit gleichkam, weil Calvinisten weiterhin ausgeschlossen waren.

Auf dem Landtag 1569/70 verweigerten ihm die Böhmischen Stände aber die geforderten Steuern. Es auf dem Landtag im Jahre 1575, als Maximilian den Ständen ein Kompromiss, glätteten sich die Wogen. Dafür würden die Stände seinen Sohn Rudolf zum König von Böhmen wählen.

Maximilian II. versuchte die Konfessionen im Reich wiederzuvereinigen, aber die Fronten waren schon zu verhärtet. Zudem hatte Bayern seine Position zu Gunsten der katholischen Kirche verändert. Auf dem Konzil von Trient war eine  dogmatische Abgrenzung zwischen Katholizismus und Protestantismus beschlossen worden. Die protestantischen Ideen in Deutschland griffen aber immer mehr um sich.

Maximilian begann zwar früh seine Nachfolge zu regeln, doch seinem ältesten Sohn Rudolf hatte er Bedenken, da dieser in Spanien streng katholisch erzogen worden war. Der Kaiser war sogar erschrocken über steife Würde des Prinzen nach dessen Rückkehr aus Spanien. Der zweite Sohn Ernst war schon länger Maximilians Vertrauensperson.

Der Kaiser ernannte Rudolf schon 1571 zum Regenten von Österreich, 1572 wurde er König von Ungarn und 1575 zum König von Böhmen gewählt. Im gleichen Jahr verstarb Maximilian auf dem Reichstag in Regensburg.

Rudolf wurde noch auf dem Reichstag zu Regenburg zum Deutschen König gekrönt, der Vorstufe zur Krönung zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.

Neben seinem dargestellten Stolz und der Unnahbarkeit war Rudolf ein freundlicher, humanistischer und Kunst interessierter Herrscher mit Hang zum Herrischen. Er entsprach dem Prototyp eines jungen Adligen zu dieser Zeit. Dennoch hatte er psychische Probleme bei der es sich möglicherweise um eine Art erbliche Schizophrenie gehandelt haben könnte.

Rudolf bewies sich als religiös toleranter Herrscher, blieb aber katholisch. Er beichtete nicht, nahm auch nicht die Osterkommunion in Anspruch und umgebe sich mit Ketzern, schreibt der päpstliche Nuntius nach Rom.

Zwischenzeitlich versuchte sein fünf Jahre jüngerer Bruder seinen Platz in der Herrscherriege zu finden. Er scheiterte bei dem Versuch Statthalter in den Niederlanden zu werden. Man ernannte ihn zwar de facto zum Statthalter, aber tatsächlich wurde von Willem van Oranje als eine Marionette vorgeführt. Danach ging er nach Linz und bewarb sich mehrfach erfolglos um verschiedene Bischofswürden. Dann Anfang des 17. Jahrhunderts, nach dem Tod seines älteren Bruder Ernst versucht er zusammen mit seinem jüngeren Bruder Erzherzog Maximilian und seinem Cousin Erzherzog Ferdinand gegen seinen kaiserlichen Bruder Ernst die Stände Ungarns, Mährens und Österreich aufzubringen. Rudolf blieb, wahrscheinlich durch seine Krankheit, unfähig zu handeln. Da die Erzherzöge aber nicht Lausitz, Schlesien und Böhmen hinter sich vereinigen können, müssen die Parteien eine Kompromiss schließen – den Vertrag von Lieben am 25. Juni 1608. Hier kann Matthias endlich punkten und durch diesen Vertrag fallen ihm Österreich, Ungarn und Mähren zu. Rudolf bleibt Kaiser, behält Böhmen und die restlichen Gebiete.

Rudolf hatte zuvor den Ständen in Schlesien, der Lausitz und Böhmen Versprechungen gemacht, ihn gegen Matthias zu unterstützen. Jetzt fordern die Stände die Einlösung, aber Rudolf verweigert dies. Ein drohender Aufstand in Böhmen zwang ihn dann zur Ausstellung eines Majestätsbriefs, der den Ständen der Länder endlich Religionsfreiheit und weitere Privilegien zusicherte. Dieser Majestätsbrief spielt eine wesentliche Rolle im knapp zehn Jahre später ausbrechenden Dreißigjährigen Krieg.

Eigentlich wegen des Jülich-Klevischen Erbfolgestreit, bei dem sich schlussendlich Brandenburg durchsetzt, hatte Rudolf 1609 eine Söldnertruppe aufgestellt, die das Passauer Kriegsvolk genannt wurde. Sie stand unter dem Kommando Leopold von Habsburg, einem Cousin des Kaisers, der als Abenteurer und Hasardeur beschrieben wird. Jetzt stehen rund 12.000 Mann in Passau und saugen das Bistum Passau förmlich aus.

Rudolf fühlt sich seinem Bruder Matthias überlegen und will mit Hilfe dieser Truppe seine Ländereien mit Gewalt zurückerobern. Leopold zieht mit der Truppe in das, 1608 im Vertrag von Lieben, an Matthias abgetretene Oberösterreich ein. Dann verselbstständigt sich die Sache und ohne jede militärische Disziplin überfällt das Kriegsvolk Südböhmen – immer in der Hoffnung auf große Beute. Beute machen, das war im 16. und 17. Jahrhundert der Motor der Söldnerheere.

Rudolf versucht Leopold zu stoppen, doch ohne Erfolg. Die böhmischen Stände wenden sich von Rudolf ab und suchen Schutz bei Matthias, der von Ungarn ein Heer aussendet. Bei Prag wird die Entscheidung herbeigeführt.

Unter dem Druck der Niederlage verzichtet Rudolf auf die böhmische Königswürde und die böhmischen Stände wählen Matthias zu seinem Nachfolger.

Rudolf, der in Prag lebt, wird aber von seinem Bruder noch auf dem Hradschin, der Prager Stadtburg, geduldet. Die Lage entwickelt sich noch dramatischer. Die deutschen Kurfürsten, also das Gremium, das den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches wählt, legen Rudolf nahe, auf die Kaiserwürde zu verzichten. Durch sein fortwährendes Nichtstun ist die Reichspolitik im Grunde lahm gelegt. Die Kurfürsten legen den Neuwahltermin auf Mitte Mai 1612 fest.

Doch dann ändert sich alles. Am 20. Januar 1612 stirb Rudolf. Ein halbes Jahr später wird Matthias zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gewählt und gekrönt. In den habsburgischen Ländereien hat er jetzt das Sagen.

Matthias ist katholisch und verstößt auch schon recht bald gegen die von Rudolf zugesicherte Religionsfreiheit und die Privilegien der böhmischen Stände.

Diese gesamte Entwicklung führte am 23. Mai 1618 zum Prager Fenstersturz, bei dem zwei kaiserliche Statthalter und ein Sekretär nach einem improvisierten Schauprozess aus einem der Fenster des Hradschin in den Burggraben geworfen wurden. Dass unterhalb des Fensters ein Misthaufen sich befand, berichtet Keiner der „Gestürzten“, im Gegenteil es wird sogar von Verletzungen an, im Graben liegenden Steinbrocken geschrieben. Die Sache mit dem Misthaufen wird wohl im Laufe der Jahrhunderte dazu gedichtet worden sein. Es gibt keine historischen Beweise, dass der Misthaufen unter dem Fenster je existiert hat.

Wie auch immer – rund zweihundert Jahre vorher warfen schon einmal aufgebrachte Hussiten nach dem Tod Jan Hus‘ zehn Honoratioren aus einem Fenster der Hradschins. Damals erging es den Gefallenen aber schlecht. Die wartende, aufgebrachte Menge tötete mit Hiebwaffen. Das Stürzen von Obrigkeiten aus dem Fenster der Stadtburg hatte in Prag schon eine gewisse Tradition.

Die ganze Aktion war aus einem Impuls heraus entstanden, wurde aber nicht von der breiten Masse der Bevölkerung und auch nicht von böhmischen Ständen getragen.

Es entwickelte sich ein Schwelbrand, der zum Flächenbrand in Mitteleuropa wurde. Zwar wurde die Vorherrschaft der Habsburger in Böhmen anerkannt, aber katholisches und jesuitisches Vermögen wurde konfisziert um die bevorstehenden Feldzüge zu finanzieren.

Im März 1619 stirbt der kinderlose Kaiser Matthias in Wien und sein Nachfolger wird sein Cousin Ferdinand. Der vorerwähnte Leopold von Habsburg, der mit dem Söldnerheer, ist sein Bruder.

Am 27. August 1619 erkennen die böhmischen Stände Ferdinand die böhmische Königskrone ab, weil er ein Feind der Religionsfreiheit sei. Noch am selben Tag wählen sie mit knapper Mehrheit den reformierten, pfälzischen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz, der mit der Tochter des englischen Königs verheiratet ist, zum König von Böhmen. Friedrich wurde schon vorher abgeraten das Angebot abzulehnen, aber er schlägt die Warnungen in den Wind. Selbst sein Schwiegervater, der englische König James I. rät ihm davon ab.

Ein Tag später findet die Wahl des deutschen Kaisers in Frankfurt am Main statt. Von den vielen Grafen, Fürsten, Herzögen, und auch Erzbischöfen im deutschen Reich haben nur sieben die erbliche Kurwürde und damit das Recht den deutschen Kaiser zu wählen. Die drei geistlichen Würdenträger, die Erzbischöfe von Köln, Trier und Mainz, sowie vier weltliche Fürsten, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg und der König von Böhmen.

Und jetzt wird es spannend. Die drei geistlichen Kurfürsten werden für den katholischen Ferdinand von Habsburg stimmen.

Der sächsische Kurfürst ist Protestant, hält aber am Ausgleich im deutschen Reich fest und wird ebenfalls für den Habsburger stimmen.

Der Brandenburger war erst vor sechs Jahren zum lutherischen Glauben übergetreten, nicht aus Überzeugung, sondern um seine Erbansprüche in Kleve, Jülich, Berg und Mark durchzusetzen. Er legte aber eine sehr ähnliche Haltung an den Tag, wie der sächsische Kurfürst.

Der Pfalzgraf bei Rhein war der oben genannte Friedrich. Er hatte Delegierte nach Mainz geschickt, die hatten in Erwägung gezogen den Herzog von Bayern zum Kaiser zu wählen und somit gegen Ferdinand zu votieren.

Der siebte im Kollegium der Kurfürsten ist der jeweils amtierende König von Böhmen. Aber wer war das zu diesem Zeitpunkt? De jure war Friedrich von der Pfalz durch die Wahl der böhmischen Stände vor wenigen Tagen der König von Böhmen.

Die Kurfürsten bestimmten aber, was bei diesen Mehrheitsverhältnissen klar zu erklären ist, dass nicht Friedrich, sondern Ferdinand von Habsburg das Amt des böhmischen Königs innehat. Die aus Böhmen angereisten Delegierten der Stände waren außer sich und protestierten aufs Schärfste.

Also dann noch die pfälzischen Delegierten ihren Plan aufgaben, den Bayern-Herzog zum Kaiser zu wählen, war die Wahl Ferdinands sogar einstimmig.

Was die beiden protestantischen Kurfürsten aus Sachsen und Brandenburg (übrigens Georg Wilhelm, der Vater Friedrich Wilhelms, des späteren Großen Kurfürsten) gedrängt hat, einen den katholischen Ferdinand zu wählen, lässt sich nur mutmaßen. Sicherlich ist Ferdinand einer der einflussreichsten Oberhäupter in Mitteleuropa, den möchte man nicht gerne zu Feind. Auf der anderen Seite zeigt es, dass es mit dem Glaubensbekenntnis der herrschenden Schicht nicht weit her war.

Weshalb die pfälzischen Delegierten erst den Herzog von Bayern, dann doch Ferdinand gewählt haben, bleibt offen. Sicherlich hat man so dem Habsburger zeigen wollen, dass man in der Pfalz keinen Konflikt heraufbeschwören wollte.

Doch bei zukünftigen Wahlen, das wurde Ferdinand ganz klar, könnten sich alle vier protestantischen Kurfürsten gegen das Haus Habsburg vereinen und hätten gegen die drei Erzbischöfe die Mehrheit. Die Vormachtstellung der Habsburger war in Gefahr. Böhmen musste katholisch bleiben, wenn nicht schon das Volk mehrheitlich katholisch, dann wenigstens der böhmische König.

In den letzten Septembertagen desselben Jahres nimmt Friedrich die Wahl zum böhmischen König an und zieht von Heidelberg nach Prag. Dort trifft er am letzten Oktobertag ein und wird von den begeisterten Pragern empfangen. Nach seiner Krönung am 4. November 1619 im Prager Veitsdom musste Friedrich regieren. Zwar hatte er jetzt ein reiches Königreich, aber ein Großteil der Einnahmen floss die Taschen des Adels. Um jedoch sich gegen seine Gegner stark zumachen brauchte er jetzt Geld und Soldaten. Steuererhöhungen und weitere Gelder konnte nur der böhmische Landtag gewähren. Damit hatten sich schon Friedrichs Vorgänger herumschlagen müssen. Schon nach wenigen Monaten war klar, dass Friedrich König in einem Land war, in dem er nichts zu sagen hatten. Er setzte dann die eigenen Kronjuwelen und pfälzischen Gold ein. Das brachte die Kurpfalz an den Rand der Zahlungsunfähigkeit.

Sein Gegner Ferdinand von Habsburg, Deutscher Kaiser, sammelte indes eine Vielzahl an Unterstützern um sich. Er ging Koalitionen und Verträge ein um die böhmische Krone zurückzugewinnen. Er versicherte sich der Unterstützung Spaniens und des protestantischen Kursachsen, indem er territoriale Zugeständnisse machte. Maximilian, der Herzog von Bayern, beauftragte den Grafen von Tilly mit dem Angriff auf Oberösterreich, das sich zwischenzeitlich auf die Seite Böhmens gestellt hatte. Sächsische Truppen marschierten in die Lausitz ein. Ferdinand stellt Friedrich von der Pfalz ein Ultimatum, sich aus Böhmen zurückzuziehen. Die Rheinpfalz selbst wurde von spanische und Truppen der Katholischen Liga besetzt. Die Ungarn erhoben sich gegen Ferdinand.

Am Nachmittag des 7. November 1620, vor den Toren Prags, am Weißen Berg bezieht der Kanzler und Führer der böhmischen Truppen Christian von Anhalt eine strategisch so günstige Position, dass er mit einem Angriff der Kaiserlichen Truppen unter Tilly nicht rechnet.


Vorheriges Kapitel
Thomas Evertsen
Eingestellt: 14.10.2014
Geändert: 14.10.2014
Nächstes Kapitel
Flucht aus Böhmen