Ein historisches Literaturprojekt

Santa Júlia scheint verschwunden

Am 6. April 1503, also einige Monate vor den im vorigen Kapitel beschriebenen Ereignissen, stach Afonso de Albuquerque mit der fünften Flotte Richtung Indien in See. Genauer gesagt, die erste Schwadron setzte sich an diesem Tage in Bewegung. Wenige Tage später folgte die zweite Schwadron und sogar einen Monat später folgte die dritte. Alle drei Schwadronen bestanden aus je drei Schiffen.

Dann, am 21. Mai 1503, also zwei Wochen bevor Estêvão da Gama, diese Gewässer queren sollte erreichte Albuquerque die Ilha de Nossa Senhora de Conceição.

„Land, Land, voraus“, schrie der junge Mann im Ausguck, dem schon seit vier Stunden die Sonne auf den Kopf brannte. Albuquerque richtet sein Blick voraus. Am Horizont zeichnete sich ganz deutlich eine Insel ab. Dann vernahm er auch die Schreie von Seevögeln. Ein untrügliches Zeichen für nahliegendes Land.

„Nach meinen Berechnungen“, sagte der erste Offizier Vieira, „müsste das Ilha de Nossa Senhora de Conceição sein.“

Afonso sah ihn an und murmelte leise, „Ilha ... de ... Nossa ... Senhora ... de ... Conceição.“ Also ob er sich das nochmal verdauen müsste. „Wer hat der Insel den Namen gegeben“, fragte er.

„João da Nova“, antwortete der Offizier.

Afonso pfiff durch die Zähne und dachte, „da Nova, der Emporkömmling.“

Jetzt stand er, Afonso de Albuquerque, hier an Bord seiner Nao auf dem Weg nach Indien. Zu seiner Flottille gehörten noch zwei Schiffe. Und in den nächsten Wochen folgten noch weitere zwei Schwadronen. Nach seiner steilen Karriere am portugiesischen Hof, war er nun vom größten Abenteuer seines Lebens überzeugt und dem Wunsch in die Geschichte einzugehen - und wenn man schon in die Geschichte eingehen wolle, dann kann man jetzt damit anfangen.

Der Entdecker von Santa Helena und Santa Júlia, João da Nova war im Vorjahr im September 1502 nach Lissabon zurückgekehrt und hatte seine Informationen bereits an den Kartografen des Königs weitergegeben. Albuquerque verfügte über die neusten Karten. Auf seinem Exemplar war die Insel, die nur noch wenige Seemeilen entfernt war, eingezeichnet. Ebenso befanden sich Santa Helena und Santa Júlia darauf, letztere aber mit völlig falschen Positionsangaben.

Afonso sagte salbungsvoll zu seinem Sekretär, „ab heute, dem Himmelfahrtstag im Jahre des Herrn 1503, habe ich für die portugiesische Krone die Insel in Besitz genommen und ab sofort soll sie Ilha de Ascensão genannt werden.“ Während er dies sprach, hob sich bei jedem Wort sein Haupt ein Stückchen höher.

„Aber João hat doch ...“, begann der Sekretär.

Afonso sah ihn streng an, „was ist mit João?“ Der Sekretär schwieg. Tatsächlich konnte Afonso nach seiner Rückkehr erreichen, dass die Insel umbenannt wurde.

Dann ließ Afonso in einer windgeschützten Bucht ankern und gab Befehl die Wasserfässer aufzufüllen. Die Nacht über blieben sie hier.

Am nächsten Morgen gab er Befehl nach der Insel namens Santa Júlia zu suchen. Ziemlich in der Mitte zwischen Ilha de Ascensão und Santa Helena sollte Santa Júlia liegen. Sie nahmen Kurs auf die angegebene Position, doch wie ein schlechtes Omen setzen plötzlich starke Nordostwinde ein und drängte seine kleine Flottille Richtung südamerikanische Küste ab. Tagelang kreuzen sie, so gut sie konnten noch gegen den Wind an. Schließlich gab Afonso auf. Nach ein paar Wochen erreichten sie die Westwindzone, um zum Kap der Guten Hoffnung zu gelangen. Weder Santa Júlia noch Santa Helena konnten sie erreichen.

Im Ganzen stand diese Armada unter einem sehr schlechten Stern. Die dritte Schwadron unter dem Kommando von António de Saldanha, die einen Monat nach Afonso in See gestochen war, geriet bei den Kapverden in einen Sturm und wurde getrennt. Nach weiteren Navigationsfehlern fanden sich das Schiff des Kommandanten und ein weiteres Schiff im Golf von Guinea, in der Nähe der Insel São Tomé wieder, also hunderte Seemeilen weiter östlich. Sie versuchten weiter an der afrikanischen Küste nach Süden zu segeln. Widrige Winde und Strömungen machten diesem Plan zu einer Tortur.

Eine Bucht, in der sie ankerten und an Land gingen, wurde seither in portugiesischen Karten Aguada de Saldanha (zu Deutsch „Saldanhas Frischwasserhalt“) genannt. Knapp hundert Jahre später irrt sich ein niederländischer Kartograph und benennt versehentlich eine nördlichere Bucht nach ihm. „Seine“ Bucht heißt seit diesem Fehlgriff der Geschichte, Tafelbucht und ist die zentrale Bucht von Kapstadt.


Vorheriges Kapitel
Eine Insel im Atlantik
Eingestellt: 24.05.2014
Geändert: 05.04.2015
Nächstes Kapitel
Eile mit Weile

Leseempfehlung

Klicken Sie auf die Namen, wenn Sie noch etwas mehr über Afonso de Albuquerque oder Cristoforo Colombo (span. „Cristóbal Colón“; port. „Cristóvão Colombo“; dt. „Christoph Kolumbus“) erfahren möchten.