Ein historisches Literaturprojekt

Die neue Aufgabe

Johan Willem van de Walt hatte die Befehle aus Amsterdam gewissenhaft befolgt und umsetzen lassen. Der Zweck der beiden gleichgroßen Häuser mit umlaufender Mauer, war ihm wohl klar. Die eingemauerten Ösen mit Ringen ließen vermuten, dass hier Lebewesen gegen ihren Willen festgehalten werden sollten. Schließlich brachte der Bau von Latrinen in jedem Haus für je siebzig Insassen Klarheit. Hier sollten Menschen verwahrt werden.

Mit dem nächsten VOC-Schiff und einer Depesche kam dann der verbindliche Befehl zu Haltung und Versorgung von schwarzen Sklaven. Van de Walt sollte nur die Sklaven entgegennehmen und versorgen, bis ein VOC-Schiff oder ein Schiff der WIC, der westindischen Schwesterkompanie die Sklaven abholte. Er erhielt pro gesunden Sklaven einen Versorgungszuschlag.

Am 10. Oktober 1631 begann der offizielle Sklavenhandel auf Nieuw-Texel mit dem Einlaufen eines kleinen Segelschiffes auf dem vierzehn unglückliche, afrikanische Seelen auf Deck angekettet lagen – elf junge Männer und drei, fast kindliche Frauen. Ohne viel Aufheben wurden die stummen Sklaven nach Geschlecht getrennt in die ummauerten Häuser gebracht. Jetzt hieß es für die Soldaten auch diese Gebäude zu bewachen.

Der Kapitän des kleinen Seglers war ein gedrungener Mann, er hätte der Bruder vom Sergeant Piet Tromp sein können. Man hatte ihn zur Besprechung in das Fort geladen, so teilte der Schreiber dem verdutzt dreinblickenden Kapitän mit. Er tat, wie ihm befohlen war. Beide, Kommandant und er, waren Angestellte der VOC, aber ein Kommandant war einem Kapitän immer höher gestellt.

„Kapitän Hendrik Jansz Coster“, sagte der Kapitän noch in der Türe stehend.

„Kommandant Johann van de Walt. Setzt Euch“, trällerte van de Walt jovial, „hattet Ihr eine gute Reise?“

Kapitän Coster war über die Freundlichkeit überrascht. Oftmals verhielt sich die Kommandanten wie Halbgötter, die nichts Besseres zu tun hatten, als in ihre eigene Tasche zu wirtschaften. Er ging auf einen der Stühle, die portugiesischer Herkunft war, zu. Er setze sich etwas unbeholfen und antwortete, „der Atlantik ist um den Äquator herum ganz gut zu befahren. Probleme bereitet eher die schwarze Fracht.“

„So“, fragte van de Walt zurück, „was für Probleme sollte diese Fracht einem erfahrenen Seemann wie Euch denn bereiten?“

„Sie lassen sich nicht so gerne auf Schiffe verladen.“

„Und fangen sicherlich auch nicht?“

„Wir fangen keine Sklaven“, sagte Coster wissend, „das machen die Neger schon selbst. Die Häuptlinge und Könige fechten wegen der geringsten Sache gegeneinander und oftmals machen sie Gefangene. Diese Neger kaufen wir ihnen dann für allerlei Tand ab.“

Van de Walt nickte interessiert und fragte, „wie mir zu Ohren kam sind auch Frauen dabei.“

Coster pfiff durch die Zähne, „Frauen? Kinder! Die geben sie einem immer mit, auch wenn man sie nicht haben will. Aber für die Mannschaften ist das immer eine erfreuliche Spielerei.“

„Lasst Ihr sie denn mit Euren Leuten kopulieren?“

„Na dann und wann schon. Haben immer mächtig Druck diese Seeleute. Dann sind sie oftmals nicht zu halten“, gab Coster gerne zur Auskunft, „sie stürzen sich dann auf alles, was irgendwie nach Frau aussieht."

„Und wenn sie trächtig sind, was dann?“

„Häufig ist den Müttern das zu peinlich von einem Weißen ein Kind zu bekommen und sie entledigen sich der Brut.“

Van de Walt war Buchhalter und kein Menschenhändler, eigentlich ging ihm das zu weit, doch Befehl ist Befehl und der Kost- und Unterbringungsabschlag pro Sklaven war lukrativ. Ihm lag nur an einem angenehmen Verhältnis zu Coster. Schließlich hätte er seine Ware auch nach Fort Nassau an der ghanaischen Küste bringen können, das vor etwa fünf Jahren gebaut worden war.

Van de Walt oblag nun die Pflege der „Ware“. Er ließ die Unglücklichen recht gut versorgen, so dass sie bei Kräften blieben.

Am dritten Advent kündigte ein Schuss aus der Drehbrasse der Buchtwache ein Schiff an. Langsam und fast schon majestätisch durchpflügte der Bug das Wasser der Grote Baai, am Heck wehte die Flagge der WIC. Das Schiff hielt Kurs auf die Kaimauer und die Seeleute refften eilig die verbliebenen Segel um dem Schiff die Fahrt zu nehmen. Es war schon fast ein perfektes Anlegemanöver. Schnell wurde das Schiff von den Soldaten, die im Hafen Dienst taten, vertäut. Van de Walt begrüßte den Kapitän.

In den nächsten Tagen wurde das Schiff entladen, dass eine große Menge Bauholz, Ziegelsteine und Mörtel geladen hatte. Danach folgte die übliche Instandsetzung und Versorgung mit Lebensmittel, Frischwasser und verschiedenen Ausrüstungsgegenständen.

Dann wurde unter Deck alles zum Transport der Sklaven hergerichtet. Ösen für die Ketten wurden an den Balken des Schiffes befestigt und ein paar Liegeflächen gezimmert.

Die Ereignisse am Tag der Abreise hielt die Frau des Schmieds Sofie Brouwer in ihrem Tagebuch fest:

23. Dezember 1631

Heute ereignete sich ein gar jämmerliches Schauspiel. Die schon seit Wochen eingekerkerten Sklaven wurden auf das Schiff der Companie verladen. Sie taten ein großes Wehklagen. Erst mögen sie gedacht haben, man wolle ihnen an Leib und Leben, doch als sie sahen, daß sie auf ein Schiff geführet, hielten sie inne. Lientje, die Bäckersfrau, sagte, sie denken wohl, es geht nach Hause und deshalb sind sie so gefaßt. Einer der jungen Männer wollte nicht über die Planke an Bord gehen. Da schlug ein wahrlich roher Soldatenkerl so lange auf die arme Kreatur, so daß man ihn an Bord schleifen mußte. Ob er diese Prügel wohl überlebete hatte. Nachdem das Schiff ausgelaufen war, lag eine gar merkwürdige Ruhe über dem Dorf. Diese Neger hatten den lieben langen Tag gesungen, vielleicht um ihr Herz zu erleichtern. Nun hörte man nichts mehr. Die Ruhe war schon fast unheimlich.

Coster tauchte im neuen Jahr wieder auf, mit zehn weiteren Sklaven, die er irgendwo an der afrikanischen Küste erstanden hatte. So plötzlich, wie er aufgetaucht war, so plötzlich war er auch wieder verschwunden. Dafür kamen andere VOC-Schiffe und andere Kapitäne.